Geisenfelds Archäologische Wurzeln

Die Funde von
Max und Marianne Heimbucher,
im neuen Sammelblatt des Historischen
Vereins Ingolstadt
ausgewertet, sind von großer
Bedeutung für die wissenschaftliche
Dokumentation der Geschichte
Geisenfelds

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Sozusagen „live“ bestätigt wurde diese Einschätzung anlässlich der offiziellen Buch- Präsentation im Rathaussaal des Ortes. Ein neues Kapitel „auf der Suche nach den Wurzeln der Stadt Geisenfeld“ könne man nun dank Max und Marianne Heimbucher schreiben, ehrte Dr. Karl Heinz Rieder die beiden Hobbyarchäologen. Drei Aufsätze widmen sich deren so bedeutsamen Scherben- und Skelettfunden. Wörtlich heißt es in der Veröffentlichung „Ohne ihr vorbildliches ehrenamtliches Engagement wären die Grundlagen für diese drei Publikationen nie zustande gekommen und die daraus erzielten neuen Erkenntnisse zur frühen Besiedlungsgeschichte Geisenfelds nie gewonnen worden“ (Sammelblatt, S.33).

 

Grund genug auch für Bürgermeister Christian Staudter den beiden „Spürnasen“, die mit unerschütterlichem Enthusiasmus nach Zeugnissen aus der Vergangenheit gegraben hatten, im Beisein von etwa 60 historisch interessierten Gästen zu danken.

 

Als erster Referent beleuchtete Dr. Gerd Riedel die Bedeutung der Funde, deren Aussagekraft als „Ersterwähnung in archäologischer Form“ denen von Urkunden ebenbürtig sei. Anders als fragile schriftliche Zeugnisse böten sie tatsächlich „Geschichte zum Anfassen“. Die Vermutung, dass die Besiedlung auf der letzten Erhebung des Ilmtals bereits ins späte 8. oder frühe 9. Jahrhundert falle, habe sich mit den Entdeckungen bestätigt. Archäologisch nachgewiesen sei dank der Arbeit der Heimbuchers seit 2004 auch, dass der Ort bereits in der Merowingerzeit bestand und sich historisch gesehen kontinuierlich entwickelte.

 

Gerade mit Blick auf die weit zurückreichende Geschichte der Stadt wertete es Dr. Ulrike Scholz als bedauerlich, dass bisher keine systematischen Grabungen stattgefunden haben, die sicher „spannende“ Ergebnisse brächten. Die Wissenschaftlerin erinnerte an die Notbergung der unter dem Klosterbräu bei Renovierungsarbeiten entdeckten menschlichen Überreste, die einen „willkürlichen Ausschnitt“ aus einem Gräberfeld ungewissen Umfangs zeigen.

 

Alles andere als „knöchern“ war abschließend der Vortrag des Anthropologen Dr. Dr. Olaf Röhrer-Ertl. Mit sichtlicher Begeisterung dozierte er über die historischen Aspekte der Skelettfunde. Digitales Bildmaterial wie bei den Vorrednern gab es bei ihm nicht. Dafür hatte der Referent Anschauungsmaterial „zum Anfassen“ dabei: zwei Kisten voller Knochen.

 

Die Überreste von mindestens 33 Individuen waren 2001 geborgen und anschließend analysiert worden. Äußerst anschaulich erläuterte der Dozent, wie man sich die wohl zu einem Familienverbund gehörenden Toten aus der Zeit um 1000 n. Chr. vorstellen muss – sportlich, für den damaligen Schnitt recht groß und nicht durch körperliche Arbeit einseitig belastet. Also wohl Angehörige einer agrarischen Führungsschicht. Die Bestattungsmodalitäten legen darüber hinaus den Schluss nahe, dass es sich um Christen handele, so der Experte. Solche allerdings, die sich dadurch vom „Durchschnittsbürger“ abhoben, dass sie sich nicht auf dem normalen Kirchfriedhof begraben ließen.

 

Die Wissenschaftler trugen sich im Anschluss an ihre Vorträge als Ehrengäste ins Goldene Buch der Stadt ein und beantworteten zahlreiche Fragen der Zuhörer. Details der archäologischen und anthropologischen Analysen sind nachzulesen im Sammelheft (117. Jahrgang, 2008), das zum Preis von 20 Euro in der Verwaltung erhältlich ist.

 

GeschichteZumAnfassen Als Anthropologe „mit Leib und Seele“ und einer guten Portion Humor erläuterte Dr. Olaf Röhrer-Ertl (2.v.r.) den Zuhörern, hier Dr. Beatrix Schönewald, Vorsitzende des Historischen Vereins, die Bedeutung der Skelettfunde von Max und Marianne Heimbucher (v.l.). Im Gepäck hatte er jede Menge echtes „Anfassungsmaterial“, das die Gäste anfangs nur mit Scheu berührten.

Foto: Zurek